Digitale Kirche

Da entbrennt im Netz ein Streit: Wolfgang Huber, ehemals Ratsvorsitzender der EKD, warnt vor der „Twitter-Falle“: Die Kirche dürfe nicht denken, sie sei beständig neu, wenn sie sich digitalen Trends anschließe. Sie müsse ein Ort sein, an dem sich Menschen begegnen und sich nicht durch Twittern aus dem Weg gehen. Und das Netz läuft Sturm. Dabei wird scharf geschossen: Andreas Mertin wirft den „Fehdehandschuh“ und wirft Philipp Greifenstein „Altersrassismus“ vor, der „Troll emeritus“ ist erfunden,  und selbst Christoph Breit gelingt es nicht, Ordnung in die Debatte zu bringen.

Kirche im Digitalen versus Digitale Kirche
Einerlei wohin man schaut bei diesem Streit: Niemand bemüht sich um das dahinter stehende Kirchenbild und um eine Sortierung der Vokabeln. #digitalekirche ist nicht dasselbe wie Digitale Kirche. Und wenn doch: Was soll Digitale Kirche sein? Ist das nun eine neue Konfession, eine Ordnungsstruktur, ein Raum, dem man sich zugehörig fühlen kann? „Die Zukunft der Kirche ist digital, weil digitale Kirche die lokalen Begrenzungen überwindet und die Gemeinschaft vor Ort ergänzt“, schreibt Christoph Breit. Ich behaupte, dass die Nutzung digitaler Medien in der Kirche unumstritten sein muss und wird. Wir brauchen eine Theologie des Digitalen, eine digitale Ethik, aber kann es eine digitale Theologie (Johanna Haberer) geben? Können und wollen wir Digitale Kirche sein? Darüber müssen wir reden.

Kirche ist Gemeinschaft im Brotbrechen und im Gebet
Was ist denn nun Kirche? Gemeinschaft der Glaubenden, eine weltliche Strukturform, die Versammlung um Wort und Sakrament? Wie verhält sich die organisierte Kirche (ecclesia visibile) zur geglaubten Kirche (ecclesia invisibile)? Die Confessio Augustana (CA) und deren Art. 7 spricht von der „Kirche“ als „Versammlung aller Gläubigen, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente dem Evangelium gemäß gereicht werden“ versteht. Damit lehnt sich die reformatorische Auffassung an den Gemeindebegriff von Apg 2,42 an: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“ (Wikipedia) Eine Kirche ohne digitale Kommunikation kann es in Zukunft nicht geben, aber können wir tatsächlich im Netz in Luthers Sinn Digitale Kirche sein? Wie kann das mit dem Sakrament im Digitalen gehen?

Das Problem sind die Sakramente
Wir begegnen uns in Twomplet und Twaudes. Wir beten, loben und feiern gemeinsam. Wir nehmen einander wahr als Brüder und Schwestern im Glauben. Wir diskutieren, wir tragen das Leid des anderen mit, wir lernen einander kennen, wir teilen Aspekte unseres Lebens. Und wenn wir uns dann von Angesicht zu Angesicht begegnen, dann ist das etwas Wunderbares: so heilig, so vorsichtig, so liebevoll, so zart. Manchmal wissen wir, dass es im Real Life nicht passt. Das macht unsere digitale Gemeinschaft aber nicht zunichte. Wir lächeln, gehen weiter und behalten einander im Herzen – das ist übrigens in der gottesdienstlichen Begegnung genauso: Nicht mit jedem Gottesdienstbesucher möchte ich Tisch und Bett teilen. Und trotzdem ist mir jeder und jede Bruder und Schwester im Glauben.

Die Krux sind die Sakramente. Bei Luther sind Brot und Kelch sichtbar-sinnliche Zeichen der Liebe Gottes in unserem Leben und für unseren Alltag. Sie analog im Digitalen zu vermitteln, führt ins Lächerliche. Liebe geht durch den Magen, durch die Haut, über die Augen und Sinne – das ist der Sinn des Sakramentalen,  so wie wir es im analogen Raum verstehen. Da berühren sich Himmel und Erde, da berühren sich analog und digital. Die Sakramente sind das Heilige im Alltag, in der ecclesia visibile gegossen in Brot und Kelch.

Das Sakrament ist die Begegnung mit dem Heiligen
Die Frage ist, wie sich das Sakrament definiert. Katholische und evangelische Christen erleben das deutlich verschieden, gemeinsam ist ihrem Verständnis nur, dass das Göttliche sichtbar wird, Gestalt annimmt und sich mit dem Menschen verbindet.
Für uns Nerds hat die persönliche Begegnung mit den Glaubensgeschwistern keine Alltäglichkeit. Sie ist absolut besonders, manchmal einzigartig, unwiederholbar, nicht verfügbar – ich habe das gerade auf dem #HanseBarcamp erlebt. Für uns Nerds ist die persönliche Begegnung mit dem Glaubensbruder, der Glaubensschwester geradezu heilig. In ihm/in ihr begegnet uns Gott.  Vielleicht ist es etwas hoch gegriffen, dieser Begegnung sakramentalen Charakter zuzusprechen. Aber es wäre auch zu wenig, wöllten wir das Heilige, das uns geschenkt wird, nicht miteinander feiern.

Virtuell ist mehr
Ich neige nicht dazu, eine neue Kirchenstruktur aufzubauen. Aber bisweilen hat es in der Diskussion den Anschein, als sei das durchaus denkbar. Kirche im Netz sei ökomenischer, grenzüberschreitender, freier, offener, liebender und lebendiger als die realexistierende Kirche vor Ort, so klingt es zumindest. Eins wird gegen das andere gesetzt, als ob sie bereits in Konkurrenz zueinander stünden. Es gibt (noch) keine Digitale Kirche, wir sind „lediglich“ als Glaubende im Netz gemeinsam unterwegs. Ich erwarte Respekt für unsere virtuellen Begegnungen, für unsere digitialen Gottesdienste und für unser Miteinander in #twaudes, #twomplet und im Real-Life. Denn sie sind keineswegs „nur“ virtuell, sie sind echt. Sie sind liebend. Sie sind engagiert. Sie sind voll des Heiligen Geistes, wie jede echte Begegnung zwischen Menschen, die Gott von Herzen suchen.

Auf der Suche nach Gott
Mir geht es um die Vielfalt. Vielfalt ist Segen. Ich freue mich, meinen Netzfreunden im Real-Life zu begegnen. Und ich wünsche ihnen, dass sie in der Real-Life-Kirche auch Beheimatung erleben. Von unseren bodenständigen Geschwistern erwarte ich, dass sie liebevoll begleiten, was im Netz zu wachsen beginnt. In allem, was wir tun und sagen, möchte ich die Liebe Christi lesen und seine Herzenswärme gegenüber dem Bruder, der Schwester, wo immer sie auf der Suche nach Gott sind. Die Welten dürfen nicht auseinanderfallen, dafür müssen wir miteinander Sorge tragen.

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