Gnade vor Recht: Zum Fall Puigdemont

Die Welt schaut auf Schleswig-Holstein: Im beschaulichen Neumünster sitzt der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont im Gefängnis. Ihm wird Rebellion und Rechtsbruch vorgeworfen, er wurde mit internationalem Haftbefehl gesucht. Jetzt liegt die Entscheidung beim Oberlandesgericht Schleswig, ob der Politiker ausgeliefert werden soll. In Spanien drohen ihm bis zu 30 Jahren Haft.

Politik und Recht
Es ist eine vertrackte Lage: Spanien ist Mitglied der Europäischen Union. Puidgemont politisches Asyl zu gewähren, käme einem öffentlichen Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit des Partnerlandes gleich.
Der Fall ist kompliziert. Er ist kompliziert, weil er nicht aus dem Zusammenhang gelöst werden kann. Es geht hier um internationale Beziehungen, es geht um Politik. Aber es geht auch darum, dass Puidgemont wegen politischer Entscheidungen zur Rechenschaft gezogen werden soll – dementsprechend müsste es doch weniger um eine strafrechtliche als um eine politische Verfolgung gehen, oder?

Was dient eigentlich wem?
Wir leben in einem Rechtsstaat, und das ist gut so. In einem Rechtsstaat ist das Gesetz so etwas wie die Bibel für Christen: Es ist Maß und Kriterium aller Entscheidungen, auch das ist gut so oder es ist zumindest nicht anders denkbar. Nach geltendem Recht wird Puigdemont wahrscheinlich ausgeliefert werden müssen.
In der Bibel der Christen aber gilt Gnade vor Recht. Die Bibel fragt nach dem Menschen und sorgt sich um sein Wohl. Eine biblische Rechtssprechung würde weniger nach dem Buchstaben, sondern eher von Fall zu Fall entscheiden. Und sie würde die Frage nach dem Nutzen von Strafe stellen: Wem dient eine lange Haftstrafe? Den Katalanen? Den Spaniern? Dem Frieden? Oder gar Carles Puidgemont selber?

So seh ich das
Ich wundere mich über die Ungleichheit der Mittel: Zunächst einmal ist Puidgemont ein Migrant, ein Flüchtling, der hier um Asyl, um Schutz vor Verfolgung bittet. Wird ihm eigentlich ein faires Asylverfahren gewährt? Warum geht das so schnell, was bei anderen Flüchtlingen Jahre dauert? Das macht mich skeptisch. Seltsam finde ich auch, dass die EU die harte Haltung Spaniens fast undwidersprochen einfach hinnimmt, wo sie bei anderen Ländern nicht nur scharfe Worte findet, sondern auch Sanktionen verhängt. Ich meine: Eine Lösung für einen politischen Konflikt kann nicht darin bestehen, den Gegner wegzusperren. Die Verhaftung von Carles Puidgemont nutzt niemandem – Gnade vor Recht ist darum alternativlos.

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