Liebe macht

Früher habe ich gern und viel geschrieben. Besonders in langweiligen Sitzungen. Dann half mir das Wegdriften in Sprachbildern, dann malte ich Poesie in Raufaser, dann wurden Worte zu Flügeln und enthoben mich auf sanften Schwingen der Wirklichkeit, die in Wirklichkeit so belanglos war, wie Wirklichkeit nur sein kann. Vieles war des Aufbewahrens nicht würdig, aber manchmal entstand sogar ein Lied.

Aber jetzt, seit ich Berufsschreiberein bin, sind die Worte versiegt. Ich habe keinen Zugang mehr zu ihnen. Wenn ich anfange, nicht über andere, sondern aus mir selbst heraus zu schreiben, entsteht banales oder larmoyantes Zeugs. Grässlich, talentlos, nicht auszuhalten. Ich gebe  nach den ersten Worten auf, und das Unvollendete, es wird auch am nächsten Morgen nicht schön. Es ist einfach Mist.

Ich vermisse das Schreiben, mir fehlt das Singen in inneren Melodien. Denn immer schon und immer noch ist mir die Welt zu karg. Ich kann mich nicht gewöhnen an Smalltalk, mich langweilt und entsetzt das emotionale Posing auf Instagram und Facebook. Wie halten die das aus, immer nur zu lächeln? Wie funktioniert diese scheinbare Gradlinigkeit, dieser pathologische Optimismus? Und gleichzeitig merke ich, wie ich mich darin übe, eine Rolle finde, mich in Social-Media definiere. Es fühlt sich an, als sendete ich meinen Avatar in die Welt, die mir fremd bleibt.

Zu gerne würde ich ein Buch schreiben, einen Roman. Ich bewundere Autorinnen und Autoren und beneide sie. Ihre Helden und Antihelden statten sie mit ihren Beobachtungen aus, sie lassen sie Kühnes denken und Unmögliches vollbringen. Jede Phantasie und jede Angst, und sei sie noch so grauenvoll, ist in der Imagination gut aufgehoben. Es gibt nichts, was nicht geht.

Ich bin im Urlaub. Ich habe Zeit. Meine Träume gehn mit mir durch. Da geht doch noch was, denke ich, da waren doch mal Worte! Sie müssen doch noch irgendwo sein. Und ich versuche ein neues Format und eine neue Herangehensweise: Ein Foto ist die Vorlage, die Inspiration, die Projektionsfläche, monkees mein Notiz- oder Tagebuch. Ich verpflichte mich zu texten, jeden Tag eins. Und ich raffe mich auf, das Ergebnis zu posten, so sehr es auch noch holpert, und die ausbleibenden Likes sind meine Rückmeldung. Da geht noch was. Wenn ich übe, wird es besser werden. Ich will meine Worte zurück. Wir werden sehen, was das wird.

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