Mien Moderspraak….

Ich bin plattdeutsch aufgewachsen. Mein Eltern sprachen platt, meine Großeltern ebenso und alle Kinder des Dorfes auch. In manchen Familien versuchten Eltern, ihren Kindern den holprigen Umstieg auf die Schule zu erleichtern und sprachen mit ihnen Hochdeutsch. Auf der Straße lernten sie dann trotzdem platt. So war das damals.

Platt ist nicht cool

Plattdeutsch war früher keineswegs schick oder hipp. Auf den höheren Schulen galten wir als „Bauerngören“, nicht zuletzt wegen unserer Sprache. Noch heute habe ich mit Vorurteilen zu tun. Viele haben immer noch ein folkloristisches Verständnis vom Plattdeutschen, andere denken, es gehe bei uns zu wie im Ohnesorg-Theater. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass man im Plattdeutschen böse Dinge nett sagen könne oder dass die Sprache irgendwie „niedlich“ sei. Nichts von dem stimmt. Plattdeutsch ist meine Muttersprache. Wir reden, streiten, sind gehässig, betrügen, lieben, weinen und trauern auf Platt wie in jeder anderen Sprache auch.

Die Sprache droht, im Hochdeutschen zu ertrinken

Aber einiges ist auch anders: Die Sprachgeschichte ist am Plattdeutschen irgendwie vorbeigezogen. Sie gilt als „überdacht“ vom Hochdeutschen. Muttersprachler bewegen sich heute selbstverständlich in beiden Sprachen, aber als Schriftsprache haben sie nur das Hochdeutsche. So kommt es, dass zum Beispiel urplatte Bürgermeister bei ihren Begrüßungen sagen: „Ich much jem ganz hardli begröten“ – das ist eine plattdeutsche Übersetzung aus dem Hochdeutschen. Eigentlich heißt das „Moin.“, und gut is. So entlehnen wir oft Redewendungen oder Worte, die wir in unserer eigenen Sprache nicht haben.

Eine Sprache vom Tun

Und davon gibt es eine ganze Menge, allein schon, weil wir substantivierte Verben eigentlich nicht kennen. „Ik gah to Foot“ ist ein Spaziergang, „ik mach di nich sehn“ ist der Hass, „ik help mien Naver“ – so würde ich Nachbarschaftshilfe übersetzen. Mir fehlen viele geisteswissenschaftliche Begriffe, die für die Theologie ja eigentlich unentbehrlich sind: „Gnade“ ist mit „Gnad“ ganz schwach übersetzt, ich halte es für ein Lehnwort. „Erbarmen“ zum Beispiel müsste ich umschreiben. „Heiligkeit“ und „Gerechtigkeit“ – das Plattdeutsche kennt keine Endungen auf -keit. Wenn ich plattdeutsch predige, bin ich gezwungen, zu elementarisieren, und oft erzähle ich einfach Geschichten, um die hohe Theologie in diese einfache Sprache zu bringen. Denn das Plattdeutsche ist schlicht und schnörkellos, eine gewisse Wortkargheit gehört zu seinem Wesen. Es hat nicht den Vokabelumfang anderer moderner Sprachen, und viele urplatte Bezeichnungen werden auch von Muttersprachlern zunehmend ersetzt (z. B. Lee = Sense, Soot = Brunnen, Leuwaach = Schrubber, Mirpisser = Ameise…)

Was dem einen sein Duden, ist dem anderen sein Sass

Es gibt einige Probleme, wenn wir um den Erhalt der Sprache kämpfen: Es gibt sehr viele plattdeutsche Dialekte, eigentlich hat jedes Dorf seinen eigenen. Darum ist es schwer, zu einer lehrbaren Einheitlichkeit zu kommen. Und kein Muttersprachler hat Lust, sich von einem Hochdeutschen erklären zu lassen, wie man „richtig“ platt spricht, aber wir müssen achtgeben auf unser Platt und es vielleicht sogar mal aufpolieren (lassen). Unter uns gibt es eine gewisse Herablassung gegenüber denen, die versuchen, es zu lernen. Manche von ihnen denken, es sei mit Vokaldehnungen getan und sagen „Oomen“ statt „Amen“, andere setzen sich mit ihrem Sass hin, übersetzen Wort für Wort und kommen dabei zu einem krautigen Kauderwelsch. Wir sollten vielleicht etwas toleranter und liebevoller ihnen gegenüber sein…

Platt ist nicht niedlich!

Plattdeutsch hat ja eigene Sprachwurzeln im Altniederdeutschen und in der Sachsensprache. Mir werden die grammatischen Unterschiede oft erst bewusst, wenn ich Texte anderer redigiere, ich hab mich ja wissenschaftlich nie mit dem Plattdeutschen beschäftigt. Aber ich liebe diese Sprache: Sie hat eine ganz eigene Kultur und ein eigenes Denken, sie ist elementar und ehrlich. Sie ist durch und durch norddeutsch: wie die Menschen so das Platt.

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