Wie wir von uns erzählen

Wir sind ja stolze Besitzer eines Sterns am Fahrzeug. Ist mir egal, ehrlich gesagt. Hauptsache, es fährt. Und das tut es, zuverlässig und gut. Die Zielgruppe von Mercedes ist männlich, reich und arrogant. Am Empfang sitzen livrierte Damen, die freundlich fragen, ob sie ein Taxi rufen dürfen und ob es uns recht sei, wenn bei der Wartung der Wagen zugleich gewaschen würde. Ja, was glauben die denn, warum wir ihn dahinbringen?!

Zauberwort Zielgruppe

Mercedes liefert Lehrstücke in Sachen Kundenkommunikation. Alles, was sie tun, ist perfekt, glänzend, strahlend wie der Stern auf der Motorhaube, die Kommunikation ist chromblank. Und sie kotzt mich so an, dass ich am liebsten die Firma wechseln würde. Ich bin nicht deren Zielgruppe, und bei Gott, ich will es auch nicht werden.

Ist der Gemeindebrief an allem schuld?

Nun diskutieren in der Kirche inzwischen Hans und Franz über Mitgliederkommunikation. Sie finde quasi nicht statt, behaupten einige. Andere meinen, sie sei elend unprofessionell und so ginge das gar nicht. Und am Ende sitzen die Gemeinden mit gesenkten Häuptern über ihrem A5-Gemeindebrief, den sie doch sie lieben. Ist der jetzt schuld am Elend der Kirche?

Oh, nu stah ik all in’t Blatt….

Ich hasse Kirche, wenn sie Unsummen in Mitgliederkommunikation investiert. Hier ein Give-Away, da ein Mailing, leuchtende Banner und Hochglanzprospekte. Ich will da nicht zugehören, ich bin nicht deren Zielgruppe. Und ich denke: Ihr nehmt den Hungernden ihr Brot und werft es den Druckereien vor. Wir feilschen um jede Küsterstunde, und ihr haut Hundertausende für Websites und Mailings raus. Ich schäme mich. Auf der anderen Seite sind auch die herkömmlichen Gemeindebriefe befremdlich. Mein Vater sagte zu seinem 75. Geburtstag ganz traurig „oh, nu stah ik all in’t Blatt…“ als er seinen Namen unter den hohen Geburtstagen las. In den Gottesdiensten trifft sich die Generation 70plus – das ist natürlich auch eine Außenwirkung, die so nicht stimmt.

Zeigen, was wir sind

Mal ein heißer Tipp von Kommunikationsberaterin zu Kirche: Wir sollten besser das kommunizieren, was wir sind, als das, was wir gerne wären. Deswegen gilt meine heiße Liebe den unperfekten Gemeindebriefen. Sie sind ehrlich, auf Augenhöhe, und sie sind echte Kommunikation, weil die Redaktionen ihre Schäfchen kennen und wissen, was sie brauchen. Besser machen geht natürlich immer, und auch die Gemeindebrief-Macher müssen sich darauf einstellen, dass 70plus nicht mehr das ist, was es noch vor 20 Jahren war. Senioren heute sind agil, oft netz-affin, wollen lernen und sich beteiligen. Da hat sich etwas verändert, dem auch unsere Kommunikation Rechnung tragen sollte.

Lasst uns unsere Träume surfen

Die Kommunikation nach außen darf zeigen: Das sind wir. Wir sind ein etwas schräger, chaotischer, leicht überalterter, aber liebenswerter Haufen mit ganz verschiedenen Interessen. Da gibt es die Chorsänger und die Konfirmanden, da gibt es junge Eltern und da gibt es die Diakonie, die sich um die kümmert, die irgendwie niemandes Zielgruppe sind. Ja, unsere Gottesdienste sind liturgisch. Wir kümmern uns um alte Menschen, alte Bücher und alte Musik. Wir wären gerne moderner, aber wir scheitern oft an den eigenen Ansprüchen. Wir wären gerne gastfreundlicher und einladender, aber wir kriegen das nicht gut hin, weil Hilde nun mal seit 20 Jahren einen festen Platz in der Kirche hat und immer neben Käthe sitzt. Das ist ihr irgendwie nicht auszureden. Wir sind Gottes geliebte Gurkentruppe. Hast du nicht Lust, dazuzugehören und mit uns auf Gurkenblättern unsere Träume zu surfen?

Kirche als Gegenentwurf zur Hochglanz-Mentalität

Es ist der falsche Weg, den Dienstleistungsaspekt von Kirche herauszuheben. Dienstleisten können andere besser und billiger. Wir sind Gemeinde und Gemeinschaft, unser Alleinstellungsmerkmal ist das Evangelium – und das ist in dieser hochindividualisierten Gesellschaft ein echter Gegenpol. Wir sind Sand im Getriebe der Hochglanz-Industrie. Im Angeben sind wir echt schlecht und wollen das auch nicht. Und wenn du mehr willst als immer mehr, immer größer, immer schneller, immer weiter, dann bist du bei uns genau richtig.

Wir werden weniger. Na und?

Wir werden weniger werden, weil sich Gurkentruppen nicht so gut vermarkten lassen. Na und? Dann werden wir halt weniger. Dem Evangelium tut das keinen Abbruch. Es ist die Botschaft von der Liebe Gottes, die in allem und um alles ist. Sie braucht keinen Glitzer und keine Lasershow. Sie braucht Menschen, die sie leben. Und du und ich gehören auch dazu.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen