Allahu akbar

So seltsam es ist: Immer wieder ist Religion ein Thema, auch und besonders bei denen, die sich nicht für religiös halten. Ich mag nicht über meinen Beruf reden. Es strengt mich an, den darauf folgenden Fachvorträgen über Theologie, die Zukunft der Kirche oder atheistische Philosophie zu lauschen.

Ägypten ist muslimisch geprägt. Ich hab vom Islam nur wenig Ahnung, aber vor ihm wachsenden Respekt. Der Koran ist in Versform geschrieben, ein langes, wunderschönes Lied. Wer ihn verstehen will, muss arabisch lernen – das ist so ganz anders als unser Umgang mit der Bibel, die wir in alle Sprachen der Welt übersetzen. Der Koran ist ein heiliges Buch, von den Gläubigen hoch verehrt und heiß geliebt. Das Glaubensbekenntnis, das Gebet, der Ramadan, die Almosen und die Pilgerreise – in muslimischen Ländern gibt der Islam den Lebenstakt vor. Das war bei uns früher auch so. Ich beneide die Muslime um ihre Lauterkeit und ihre Enthaltsamkeit, auch wenn ich mich manchmal frage, was sie mit ihren Fragen, Zweifeln und mit ihrem Aufbegehren machen.

Es gibt mehr Gemeinsamkeiten als ich dachte. Abraham, Mose und die Propheten – sie sind dem Islam als Propheten wichtig. Auch Jesus bedeutet den Muslimen viel. Gottes Sohn oder Gott selbst aber kann er nicht sein, das ist für Muslime inakzeptabel. „Es gibt keinen Gott außer Allah!“, heißt es im Glaubensbekenntnis. Und im Judentum heißt es: „Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein!“ Wir dagegen glauben an den dreieinigen Gott.

Ich habe Respekt vor dem Islam. Aber konvertieren könnte ich wohl nicht. Denn er hat – anders als die Bibel – in sich kein kritisches Moment. In der Bibel ergibt sich die Bibelkritik durch die lange Entstehungszeit und die Vielfalt der Autoren. Sie lädt zum Forschen ein, und eigentlich verbietet es sich, sie wörtlich zu nehmen. Das ist beim Koran anders. Er ist aus einem Guss, aus einer Hand. Und er annektiert jüdische und christliche Tradition auf eine Weise, die in jüdisch-christlicher Theologie nicht denkbar ist. Die Begegnung mit dem Islam macht mir Mut, die Jahrhunderte alten christologischen Konzepte neu zu hinterfragen. Jesus spricht von sich als König und Messias, aber erst das jüngste, das Johannes-Evangelium gibt ihm Attribute der Göttlichkeit. „Ich und der Vater sind eins“, sagt er dort. Man kann die Rolle Jesu auch anders denken.

Aber da ist noch etwas: „Der Muslim braucht keinen Mittler“, erklärt uns Hamdy, unser Reiseleiter. „Jeder ist allein vor Gott verantwortlich.“ Das ist im evangelischen Glauben auch so. Kein Papst und kein Pastor sind nötig, keine Maria und keine Heiligen: Ich allein verantworte mich vor meinem Gott.

Und damit bin ich wieder bei den alten Ägyptern: Maat heißt die Göttin der Gerechtigkeit. Ihr Symbol ist eine Feder. Am Ende muss der Ägypter sein Herz in ihre Waagschale legen, und es darf von Sünden nicht schwerer sein als ihre Feder.

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