Eiszeit.

Ich hab mir grad richtig einen aufgesackt. Es war ein Superspreader-Event, das ich am Samstag besucht habe: Mehrere Corona-Infektionen, und bei uns im Haus liegen wir beide zwar nicht mit Corona, aber doch mit einer schweren Erkältung brach. Das Konzert war schön, ohne Zweifel, und es gibt sicher auch schlimmere dienstliche Veranstaltungen. Aber ich bin hingegangen, weil ich darüber schreiben wollte, Andreas ist hingegangen, um seine Wertschätzung für diese Arbeit zu zeigen. Nun haben wir den Salat.

Der Blick in die Tageszeitung macht deutlich: Wir sind endlich wieder in der „Normalität“ angekommen. Als Kirche sehen wir offenbar unsere Hauptaufgabe nach wie vor darin, die Menschen aus den Häusern zu locken und in Gemeinschaft zu bringen. Und ich bin hin- und hergerissen: Ich denke an unsere jungen Leute, die Gemeinschaftserfahrung – und zwingend auch kohlenstoffliche Gemeinschaftserfahrung – so dringend brauchen. Und ich denke an unsere Witwen, die sich von einem Termin zum nächsten sehnen, um der kalten Einsamkeit zu entfliehen. Und trotzdem. Es ändert sich einfach zu wenig.

Die Corona-Zeit war eine große Chance für den Wandel, der Klimaschutz macht ihn geradezu zwingend nötig. Und dabei macht mich dieser Kirchenkreis wahnsinnig: Er schreibt sich ein umfangreiches Klimaschutzprogramm auf die Fahnen, aber die Konsequenzen überlässt er anderen. Nur mal das Beispiel Sitzbankheizungen in den Kirchen: Gottesdienste finden weiter wie normal statt, nur dass die Gottesdienstbesucher sich alles außer dem Arsch abfrieren. Viele Gemeinden werden kreativ, richten Winterkirchen in den Gemeindehäusern ein, legen Decken bereit – und trotzdem. Es ändert sich einfach zu wenig: Welche Gottesdienstformen brauchen wir wirklich? Und was nützt es uns, wenn die Beerdigungen zu den Bestattern abwandern, weil es bei uns zu kalt ist? Nach wie vor wird zu Konventen eingeladen wird, bei denen die Pastorinnen und Pastoren unfassbar viele Kilometer zusammenfahren – ohne Not! Die Konzentration auf E-Mobilität scheint mir verlogen: Sie zementiert, dass alles genau wie immer weitergehen muss, nur eben ein bisschen ökologischer. Es ändert sich einfach zu wenig.

Ich weiß, ich bin ein Nerd. Und mein Maßstab kann nicht das Maß aller Dinge sein. Aber das Digitale muss doch mitgedacht werden! Wir sind so weit gekommen, wir können das alles jetzt: Zoom und Teams, sogar Youtube und Facebook. Wir haben so viel erreicht. Aber immer noch wird das als Nice-to-have behandelt, als schmückendes Beiwerk. Das Digitale kommt in der Zukunftsplanung nur marginal  vor.

Ich will, dass wir alles auf den Prüfstand stellen: Wie wichtig ist der Jahresempfang, und können wir ihn alternativ denken? Es kann gut sein, dass wir zum dem Schluss kommen, dass er wichtig ist, und unabdingbar in Präsenz stattfinden muss. Aber die Frage muss gestellt werden! Jede Veranstaltung muss auf den Prüfstand. Jede. Ist sie gewollt, ist sie nötig, wem dient sie? Denn Umfragen zeigen, dass den Menschen das diakonische und seelsorgerliche Handeln von Kirche viel wichtiger ist als unser Hang zu Events und Leuchtturmprojekten. Und wir verbraten Kraft, Energie, Zeit und CO2 im Eventmanagement. Lasst uns darüber reden.

Ich will, dass wir uns zurückziehen, dass wir uns auf die Menschen konzentrieren, die da sind. Auch das stützen die Umfragen: Die innerkirchliche Bindung ist stärker als je zuvor. Es bröckelt an den Rändern. Das können wir nicht verhindern, aber wir können das Innen weiter stärken und seine Strahlkraft ausbauen. Das kratzt früher oder später am Kirchensteuer-Modell. In kleinen Gruppen wird schon darüber nachgedacht, was das bedeutet. Die Kirchenleitenden – und das betrifft auch Ehrenamtliche in leitenden Ämtern – scheint das kaum zu erreichen. Offenbar ist noch Kohle genug da, um das sterbende Konstrukt über Jahre zu mumifizieren. Wir müssen ran an die Strukturen. Wir hätten da schon längst ran gemusst.

Ich will, dass wir an Konzepten für Kirche im Digitalen Raum arbeiten. Und das ist noch etwas anderes, als das, was es bereits gibt: Wir sind als Kirche gut präsent im Digitalen und auf Social Medial. Aber es gibt – soweit ich weiß – noch überhaupt keine Ideen in Richtung Gemeindeaufbau und Kybernetik. Wie kann eine digitale Gemeinde und wie kann eine Gemeinde digital gut versorgt werden? Welche Strukturen braucht es, wie ist das Verhältnis von Haupt- und Ehrenamt im Digitalen? Wie geht Partizipation, wie geht Demokratie? Und nicht zuletzt: Wie ist es mit Gottesdienst und Abendmahl, wie gehen Amtshandlungen und Segen? Und ja, auch dieses: Wie geht das mit der Mitgliedschaft, mit Spenden, mit der Finanzierung? Diese Fragen sind mehr als theoretisch, auf meinem Facebook-Account bildet sich gerade eine richtige Gemeinde – ich will verantwortungsvoll damit umgehen, und ich möchte, dass Kirchenleitende ernst nehmen, was da geschieht.

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