Krönchen richten?

Nun bin ich fast 60 und zum ersten Mal nach vielen Berufsjahren krachend gescheitert. Aufstehen, Krönchen richten und einfach neu anfangen? Das Krönchen ist ziemlich angeknackst, und im Neuanfang hängt mir der Staub vom Vergangenen nicht nur in den Sandalen, sondern auch in den graugewordenen Haaren. Was ist passiert?

Als ich mich als Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bewarb, kam ich frisch aus dem Volontariat und wollte eines ganz sicher nicht: Pressesprecherin sein. Denn das inkludiert bei Bedarf den Auftrag zum Vertuschen, zum Schönschreiben und Manipulieren. Eine Pressesprecherin versteckt die kritischen Botschaften so geschickt, dass keiner Nachfragen stellt. Sie ist Sprachrohr der Mächtigen, weisungsgebundene Stabsstelle. Sie ist verlängerter Arm anderer, Befehlsempfängerin, Botengängerin. Ich aber kam mit der Idee einer freien und zugleich loyalen Presse, und dachte: Das würde der Kirche guttun. Kritische und zugleich behutsame Berichterstattung mit viel Hintergrundwissen, liebevolles Beleuchten der vielen ehrenamtlichen Arbeit, Ehrlichkeit ohne Einschränkungen. Ehrlichkeit zuallererst.

Meine KollegInnen haben das immer schon als naiv belächelt, ja sogar als imkompetent und falsch verworfen. Aber ich hatte einen Traum. Und meine Arbeitgeber träumten ihn mit. Sie gründeten das Evangelische Regionalzentrum und beriefen Referenten, denen sie weiten Raum eröffneten. Eine davon war ich – anfangs explizit für den Dienst an den Kirchengemeinden eingestellt. Explizit frei und nicht weisungsgebunden.

Ich bin nach nunmehr fast 15 Jahren krachend gescheitert. Die Kirchengemeinden haben Null Interesse an meiner Arbeit, sie geben mir nicht ihre Termine, sie laden mich nicht ein, ich mühe mich vergeblich. Manchmal erwarten sie, dass ich das Kind aus dem Brunnen hole, dass sie mit dem Bade ausgegossen haben. Die Zeitung druckt meine Artikel nicht mehr. Der Kirchenkreis hat sich längst meinen Posten als Stabsstelle eingesackt und wundert sich, dass ich nicht funktioniere wie ich aus seiner Sicht soll. Alle sind unzufrieden. Ich zuallermeist. Es widert mich an, was ich tue. Es liegt vielleicht auch am Altwerden, an der so oft bei anderen Beobachteten Unfähigkeit oder dem Unwillen, sich an veränderte Begebenheiten anzupassen. Krachend scheitere ich auch an mir selbst: Webdesign, das Hosten und Erstellen von Homepages, die technische Wartung, php, mysql, css und was da alles dran hängt – ich kann das nicht mehr. Ich kann nicht mehr mithalten mit dem Tempo der Entwicklung. Meine Nerven schaffen das nicht mehr: Die Hände flattern, wenn ich irgendwo einen Internal Server Error sehe. Ich pack das nicht mehr.

Krachend scheine ich auch mit meinem Kirchenbild zu scheitern: Ich möchte gerne weg von den Events und der Pastorin-Hans-Dampf-in-allen-Gassen. Aber an der Erwartungshaltung von Gemeinden an ihren Pastor/ihre Pastorin scheint sich doch nicht so viel geändert zu haben, wie ich gehofft hatte. Ich möchte gerne ruhiger und konzentrierter Kirche sein, fröhliche Zeit haben für wirklich liebevolle Amtshandlungen und Seelsorgegespräche, gemeinsam mit anderen entwickeln, was allen guttun würde.

So sitze ich da mit meinen fast 60 Jahren. Und es wäre sicher der Zeitpunkt, einfach mal zu tun, was man von mir erwartet: Krachende Events, hippe Jugendarbeit, Gemeinde-Entwicklung, rasante Steigerung der Mitgliedszahlen, regionale Zusammenarbeit, Präsenz an allen Orten, Everybodys Darling, allzeit bereit, allzeit gut gelaunt. Aber ich will das Krönchen nicht mehr tragen, und wenn es noch so schön wieder hergerichtet würde. Es passt mir nicht mehr.

Ich werde mir trotzdem Mühe geben, weil ich die Menschen liebhabe. Aber ich werde auch das andere nicht lassen: Ich will mit anderen auf der Spur der Kirche Jesu Christi bleiben. Eine Kirche, die kein Geld und keine Krönchen braucht. Eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig tröstet und stärkt. Ich werde Nischen suchen und finden. Weiterdenken. Nicht aufgeben. Und nicht sich treiben lassen von den Das-war-schon-immer-so’s und den Kirche-muss-doch’s. Einfach in der Liebe bleiben. Um jeden Preis. So hat Jesus es gewollt, und so hat Jesus es gelebt.

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