Wozu noch in der Kirche sein?

Warum noch Mitglied sein, wenn doch jeder Hans und Franz Segen für lau kriegen kann? Wir kriegen grad viele Emails bitter enttäuschter Menschen, die sich über den Segensgottesdienst für ein nicht-kirchliches Ehepaar ärgern. Ich lese das Anliegen des Brautpaares so: Es bittet um einen Gottesdienst, um einen feierlichen Rahmen für das Bekenntnis seiner Liebe. Es möchte seiner Liebe Gewicht geben. Es hat die Hoffnung, dass seine Liebe mehr als ein Vertrag ist, sondern Zeit und Leid überdauern möge. So zumindest ist es bei den „normalen“ Brautpaaren, die mir begegnen. Und zu gerne gebe ich ihrer Liebe den Segen, weil Liebe und Segen so nah beieinander liegen.

Siehst du darum scheel, weil ich so gütig bin?

Matthäus 20,15

Ich bin Mitglied der Kirche, nicht, weil ich dadurch irgendwelche Vorteile hätte, sondern weil ich die Gemeinschaft der Glaubenden im Gottesdienst liebe, weil ich es liebe, gemeinsam zu singen und zu beten. Ich bin Mitglied der Kirche, weil ich so großen Respekt habe vor der Kunst und der Kultur, die durch sie möglich wurden. Ich bin Mitglied der Kirche, weil unsere großartigen Gotteshäuser mir am Herzen liegen und weil ich weiß, wieviel Geld es kostet, sie zu erhalten. Ich bin Mitglied, weil ich das Evangelium, das wir in Wort und diakonischer Tat verkündigen, für unverzichtbar halte in einer Welt, in der jeder nur auf sich sieht. Ich bin Mitglied, weil ich weiß, dass wir viele sind und gemeinsam etwas bewegen können. Ich bin Mitglied, weil ich dazugehören möchte. Kirchenmitgliedschaft ist für mich eine Form gelebter Solidarität. Wer nicht Mitglied ist, verpasst etwas, das ist meine Devise.

Auch ich ärgere mich manchmal, wenn die Last für die immer weniger werdenden Mitglieder immer größer wird. Ich ärgere mich vor allem über das allgegenwärtige „Kirchenbashing“, bei dem Politik gerne mitmischt. Und ja: Ich ärgere mich auch, wenn Menschen nicht zu uns gehören wollen, aber wie selbstverständlich an allem teilhaben, was uns ausmacht. Und dennoch: Gerade im vorliegenden Fall lerne ich von meiner Sylter Kollegin. Sie hat ein weites Herz. Sie ist unermüdlich freundlich. Sie weist niemanden ab. So möchte ich auch sein.

In mir steigen die großartigen Geschichten Jesu vom Verlorenen auf. Jesus, der 99 Schafe stehen lässt, um das eine verlorene zu suchen. Jesus, der dem zornigen Bruder des Abtrünnigen sagt: „Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig.“ Oder: „Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken.“ – Sind wir als Kirche nicht gerade zu den Menschen gesandt, die den Glauben verloren haben oder ihn nicht mehr bei uns finden? Segen ist mit Geld nicht zu bezahlen, und auch mit der treuesten Kirchenmitgliedschaft kann er nicht als gepachtet gelten.

Segen kann gedeihen, wo wir alles teilen. Oder „siehst du darum scheel, weil ich so gütig bin?“ – Euch wird doch nichts weggenommen, weil es einem anderen auch gegeben wird. Segen ist das Narrativ von Gottes unfassbarer Großzügigkeit. Wir sollten nicht geizen mit dem, was er uns schenkt.

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