Glaube. Liebe. Hoffnung?

„Das ist ja sicher manchmal ein schwerer Beruf“, sagt man mir oft. „Aber Trauungen – die machen Sie doch bestimmt gerne!“ Hm. Nein. Leider nicht. Echt nicht. Trauungen sind nicht nur extrem schwer, sie sind auch extrem anstrengend. Und frustrierend.

Dabei sind die Traugespräche meist richtig nett. Das wundert mich, wo ich doch so viel älter bin als die jungen Leute. Und es freut mich, wenn da ein guter Kontakt zustande kommt. Es freut mich sogar sehr. Ich freue mich an der Liebe, ich freue mich über das Glück. Bis dann der Moment kommt, an dem wir den Gottesdienst durchsprechen. Inzwischen lassen sich fast alle Bräute von ihrem Vater hereinführen. Wie schade!, denke ich. Es ist doch so ein schöner Moment, wenn man zu zweit in die Kirche einzieht! Meistens gestaltet eine Sängerin die Musik mit Playback aus der Konserve. Das sind dann populäre Lieblingslieder, mit denen die beiden eine Geschichte verbinden. Aber auch hier denke ich: Wie schade, dass sie sich so gar nicht mehr auf unsere Traditionen und den gemeinsamen Gesang einzulassen wagen. Dann muss mal ein als Hobbit verkleidetes Kind die Ringe bringen, ein andermal wäre der Hund so gerne dabei. Und wenn sie dann da vorne auf den Traustühlen sitzen, kann ich sie manchmal gar nicht erreichen, weil die Braut an ihrem Kleid rumtüdelt, der Fotograf herumspringt oder sie schlicht so aufgeregt sind, dass sie zuhören weder können noch mögen.

Versteht mich nicht falsch: Ich mache alles möglich. Der Wunsch der Brautpaares ist mir Befehl. Sie sollen ihre Traumhochzeit bekommen. Es soll fröhlich und feierlich sein, ich tue mein Teil dazu. Die Ansprache ist individuell auf das Brautpaar zugeschnitten, und irgendwie kriege ich immer noch ein paar Lacher platziert, die das Ganze auflockern. Dann ist es vorbei. Ich geb dem Paar die Hand und gratuliere. Sie ziehen vor mir aus der Kirche, das große Knipsen beginnt. Und dann sind sie weg. Und auf der Heimfahrt falle ich in ein tiefes Loch.

Ich weiß gar nicht so recht warum. Wahrscheinlich waren auch für mich die Anspannung und der Erwartungsdruck zu hoch, der Adrenalspiegel am Anschlag, der Spagat zwischen meinem geistlichen Auftrag und der Fernseh-Performance einfach zu schwierig. Am Ende bleibe ich traurig und allein zurück.

Das hab ich mich mal in einer Facebook-Gruppe von Theologen gepostet und bin dann doch einigermaßen erschüttert: Es geht uns fast allen so. Manche haben sich schon einen Plan gemacht, wie sie besser damit zurechtkommen, hören Lieblingsmusik, trinken ein Piccolöchen oder legen sich erstmal ins Bett. Manche schreiben frustriert, wir seien da halt nur mehr oder weniger störendes Beiwerk, eine andere wünscht sich heimlich, die mögen doch ihre Hochzeit mit ihren Wedding-Plannern machen und uns in Ruhe lassen. Was geht da schief?

Es geht etwas schief bei den jungen Leuten. Die machen da zu viel Gewese drum. Die verlieren sich ja fast schon bei den Vorbereitungen. Alles muss perfekt sein, nichts darf aus dem Plan laufen. Der Tag wird durchgetaktet, die Sitzordnung festgezurrt, die Frisur sitzt, das Makeup juckt. Dem Pastor/der Pastorin müssen sie vertrauen.

Es geht auch etwas schief bei mir: Wir feiern schließlich Gottesdienst. Das ist das wichtigste. Erst dann kommt das Brautkleid, die Musik und das Makeup. Zuerst geht es um Gott und um das, was er für die Liebenden tun will. Ich aber mache mich zum Hansdampf und will da unbedingt die Wunscherfüllerin vom Dienst sein. Auch ich müsste Gott mehr vertrauen und ihm mehr zutrauen.

Aber es geht auch etwas schief in der Beziehung. Wir PastorInnen sind Menschen, und wir geben uns sehr viel Mühe, diesen Tag zu etwas Besonderem zu machen. Es wäre einfach nett, wenn sie sich bei uns bedankten, uns vielleicht nachher eine Karte schicken oder eine Rückmeldung geben. Wir sind Menschen. Wir verdienen Höflichkeit und Respekt.

Ich weiß ja, dass den Brautleuten der Kopf schwirrt. Es sind nicht nur ihre eigenen Erwartungen. Auch Freunde und Familie machen da mächtig Druck. Und sie sind ja noch jung und verliebt. Sie können all das gar nicht wuppen.

Aber vielleicht sollten sie es lernen. Um ihretwillen – denn auch das gemeinsame Leben wird nicht dem Plan folgen. Um unseretwillen – denn wir PastorInnen geben viel. Wir gehen ja in Beziehung, sonst kann das nicht funktionieren. Aber auch um Gottes Willen. Denn das ist ja das Besondere an der kirchlichen Trauung: Da erbitten wir etwas Unverfügbares, Unplanbares. Da erbitten wir den Segen, ein himmlisches Geschenk. Die Liebe ist es wert, dass wir uns um all das bemühen.

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