Only for Profi?

Um den Beitrag von Hanna Jacobs in der „Zeit“ entbrennt ein heißer Disput auf meinem Facebook-Account. Jetzt, wo alle mitmischen im Online-Wettbewerb, zeigen sich natürlich auch die Abgründe. Einfach ein Smartphone in die Kirche halten, das gibt halt nicht so den ganz tollen Sound. Und manche Spreche erweist sich als pastoraler als der Sprecher es vermutet hätte. Und mancher Inhalt, so zumindest Hanna Jacobs, passt einfach nicht ins Netz und nicht zu den Usern.

Klein-Kleckersbüll goes online

Nunja, ich glaube, da irrt sie sich. Die Gottesdienste, die zurzeit eingestellt werden, sind dezidiert nicht dafür gemacht, im World-Wide-Web zu bestehen. Sie sind für Gemeinden gemacht, die zurzeit nicht in ihr Gotteshaus nach Kleinkleckersbüll dürfen. Sie sind für Emma Meier gedacht, die jeden Sonntag in der Kirche neben Frieda Bülk sitzt und die ihren Pastor lieb hat, weil der ihr damals so beigestanden ist, als der Theo…. ihr wisst schon. Die sind alt und nicht im Netz? Da irrt ihr euch. Viele 80-Jährige haben inzwischen Netz-Zugang und können sich leidlich drin bewegen. Um ihren Pastor, ihre Gemeinde bei Youtube zu finden reicht es allemal. Und die Mittelalten, die genießen es richtig, auf ihren Computern die Verbindung von Tradition und Moderne zu erleben.

Es ist doch nicht so schlimm, dass du das nicht kannst?!

„Buäh“, nörgeln die alten Hasen der digitalen Kirche, „das will doch keiner sehen! Das hat mit digitaler Kirche nichts zu tun! Das ist nur analog auf digital getrimmt“ – ein Schwall von Häme ergießt sich im Netz über die neuen Umtriebigkeiten. „So peinlich war mir meine Kirche noch nie“, schreibt Kommunikationspapst Erik Flügge. Man möge doch erkennen, was man kann und was nicht. „Wenn man mit Medien nicht umgehen kann, ist das nicht schlimm. Schlimm ist nur, wenn man es ohne Übung trotzdem tut.“

Morgen werde ich mehr wissen als heute

Da hab ich mich doch gleich drangesetzt und erstmal einen Podcast gemacht. Aus purem Trotz. Ich hab keine Ahnung vom podcasten, überhaupt kein Gefühl für das Medium. Ich weiß noch nicht mal, ob ich es lernen will. Aber ausprobieren will ich es. Ich lasse es mir von niemandem verbieten, und der Vorwurf der Unprofessionalität prallt an mir ab. Denn ich will lernen. Ich will mich entwickeln. Und das kann ich nur im Kontakt mit anderen. Ich werde meine Podcasts online stellen und schauen, wie die Leute reagieren. Dann werde ich mehr wissen als heute, und bald werde ich mehr können als morgen.

Professionalität contra Authentizität

Und trotzdem: Was ist professionell? Da gibt es ein dehnbares Deutungsspektrum. Professionell arbeitet in einem Beruf, wer sein Geld damit verdient. Oder: Professionell ist nur, wer ausgebildet und qualifiziert ist? Ich zum Beispiel fotografiere professionell in dem Sinne, dass das zu meinem Beruf gehört und ich bezahlt werde. Aber ich bin nicht ausgebildet, ich bin keine Fotografin. Ist professionell nicht der, der seinen Beruf, seinen Auftrag auch unter sich dramatisch verändernden Umständen auszuführen versucht?

Ich habe mir in den vergangenen Wochen viele Video-Gottesdienste angesehen , sehr viele. Man kann an ihnen eins zu eins erkennen, in welcher Gemeinde Geld vorhanden ist oder externe Fachkompetenz. Man sieht, wo Menschen einfach jeder seins in den Pott werfen und probieren, was gemeinsam geht. Und man sieht, wo PastorInnen ganz allein sind und es trotzdem versuchen. Die mir liebsten Formate sind die Kleinen, in denen Bescheidenheit, Liebe und Authentizität spürbar wird. Diese Gottesdienste sind Gemeindearbeit. In diesen Gemeinden bin ich Gast auf Zeit. Sie sind technisch schlicht, aber sie werden gerne gesehen und oft angeklickt, auch wenn sie nie im gängigen Sinne viral gehen werden.

Vertane Chancen

Nur in einem Punkt gebe ich den Kritikern recht: Es ist alarmierend, dass wir die Häme, die sich grade über uns ergießt, nicht einmal wahrnehmen. Ich finde, das Sendungsbewusstsein Einzelner passt nicht gut ins Netz, das Netz ist dialogisch, da wünsche ich mir mehr. Es ist ein bisschen traurig, dass die KollegInnen diese Zeit und ihre Chancen nicht für besseres nutzen als für die Spielerei mit Film- und Tontechnik – denn mehr wird es in den meisten Fällen nicht werden. Wir sind privilegiert: Unser Gehalt fließt weiter, als wäre nichts gewesen. Wir hätten die Zeit, uns zu besinnen und nachzudenken, anstatt in Aktionismus zu verfallen.

PastorInnen sind professionelle Universalisten

Was soll die Debatte? Gehört das Netz auf einmal den Profis? Darf nur noch rein, wer vorher eine Ausbildung gemacht hat? Hättet ihr am liebsten eine Altersgrenze? Ich will euch sagen, was für mich das Netz ist: Es ist Freiheit und Liebe. Im Netz darf jeder er selbst sein. Für jeden gibt es hier einen Platz und eine Nische. Im Netz darf jeder etwas ausprobieren, und er wird dabei mehr oder weniger wohlwollend begleitet. Im Netz kommt es nicht darauf an, Professionalität zu kopieren, sondern es geht in erster Linie um Authentizität. Und meine lieben Hämewerfer: Was ihr da grade als Unprofessionalität verpönt, ist liebenswerte Authentizität. Denn das ist der Alltag eines Gemeindepastors, einer Gemeindepastorin. Niemand von uns hat Verwaltung gelernt, und wir müssen sie trotzdem tun. Kaum jemand hat eine Gesangsausbildung, und trotzdem singen wir mit und vor, so gut es geht. Keiner hat eine Qualifikation im Bauwesen, wir sind keine Kunsthistoriker, keine Denkmal- und keine Datenschützer – und trotzdem müssen wir mit all diesen Fragen arbeiten. Das ist unsere Profession, unser Beruf.

Es sollte ein versöhnliches Schlusswort geben, finde ich. Aber ich bin grad wieder so herrlich aufgebracht und auf Krawall gebürstet, dass es nicht authentisch wäre. Ich hab ja schlicht keine Antworten, nur viele Fragen. Und meine Fragen stelle ich ins Netz, ob euch das nun passt oder nicht.

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