Verschämtes Glück

Ägypten: Land der Pharaonen. Land der Bibel. Land der Gegensätze. Sehnsuchtsland.

Ich weiß gar nicht, wann das angefangen hat, meine Sehnsucht nach Ägypten. Da war Sinuhe, der Ägypter. Ich hab den Roman gerne gelesen, und das Theologiestudium bestätigte manch sorgfältige Recherche des Autors Mika Waltari. Mose wuchs in Ägypten auf, am Sinai empfing er die Zehn Gebote, Josef wurde nach Ägypten verschleppt, die Heilige Familie fand hier Zuflucht vor den Schergen des Herodes.

Sehnsuchtsland. Alles, was ich über dieses Land hörte und lernte, fiel auf fruchtbaren Boden. Es nährte meine Sehnsucht von Jahr zu Jahr. Die Reise ist sehr teuer, lange galt sie als zu gefährlich. Nun bin ich da. Und verschämtes Glück überkommt mich in Wellen.

Dass ich hier sein darf! Ich danke meinen Eltern. Was sie mir hinterließen, hat mich finanziell unabhängig gemacht. Dass ich hier sein darf! Ich weiß, dass es unverdienter Luxus ist. Dass ich hier sein darf! Die Reise ist anspruchsvoll, man muss belastbar und gut zu Fuß sein. Ich bin gesund, aktiv, motiviert, interessiert – und so, so dankbar.

Verschämtes Glück. Wir fahren durch Ägypten, gepampert von Studiosus im klimatisierten Mercedesbus. Im Speckgürtel Kairos die Armut: marode Wohnungen, Garküchen am Straßenrand, Eselwagen mit Felderträgen oder Baumaterial. Menschen in Kaftanen, verschleiert, betend auf einem kleinen Teppich vor der öffentlichen Toilette. Verschämtes Glück: die Erleichterung, wieder im Luxushotel anzukommen, das blinde Vertrauen in Hamdy, unseren Reiseleiter. Das Wissen, dass Studiosus meine Probleme lösen wird, falls sie auftreten. Sicherheit, die der Ägypter nicht hat. Verschämtes Glück: Dass ich diese Flugreise in Zeiten des Klimawandels noch machen darf, fühlt sich an wie ein Raub.

Und Glück ist es trotzdem. Und ehrfürchtiges Staunen: vor der Schönheit, der Vollkommenheit, der kulturellen Leistung und dem mehr als biblischen Alter, das hier zum Greifen nah ist. Glück ist, dass, was antike Grabräuber übrig ließen, so spät entdeckt wurde und dadurch der kulturellen Aneignung entkam. Glück ist es, vor der so menschlichen Statue Echnatons zu stehen, der ein Prophet seiner Zeit war und Wahrheit, Liebe, Frieden und den Glauben an einen einzigen Gott verkündigte. Makelhaftigkeit ist plötzlich kein Widerspruch mehr zur Gottesebenbildlichkeit. Der Gedanke setzt sich fest. Geht über Jesus hinaus in unsere Zeit. Berührt mich in Wellen. Danke, dass ich hier sein darf.

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