Loyalität wär toll, liebe Kirche.

Wir waren immer viele: Auf der Straße (auf der man damals noch spielen durfte) in der Grundschule und später beim Abitur. Ich bin 1964 geboren und damit Teil der „geburtenstarken Jahrgänge“. Es ist lebensprägend, dass wir immer zu viele waren. Was immer wir tun wollten, man riet uns ab. Lehramt? Um Gottes Willen! Diakonin? Niemals! Theologie? Wenn du unbedingt Lebenszeit in einem viel zu langen Studium ohne Anstellungszukunft verschwenden willst – bitte!

Die Vikariatsgemeinschaft als Laborerfahrung
Im Vikariat begann das große Sieben: Zusammengepfercht auf engem Raum erprobte man unsere Sozialkompetenzen und testete unsere Konfliktfähigkeit. Ich weiß, ich bin gemein, und niemand hat das so bös gemeint, wie ich es rückblickend empfinde. Aber ich nahm all dieses Selbsterfahrungszeugs damals sehr ernst und zeigte mich schonungslos. Ich wäre beinahe aus der Ausbildung geflogen.

Der Anfang war – auch finanziell – eine Saure-Gurken-Zeit
Wir waren auch im Pfarramt zu viele. Brav teilten mein Mann und ich uns eine Stelle, weil ja sonst nicht alle untergebracht werden konnten. Wir waren beide 30 inzwischen, gleichaltrige Gemeindeglieder hatten alle ein eigenes Haus, mehrere Kinder, selbstverständlich ein Auto. Wir hatten wirklich nichts, aber zusammen mehr als 85 000 Mark Ausbildungsschulden, die sich durch das lange Studium mit Bafög-Finanzierung sumiert hatten. Natürlich zahlten wir die volle Miete für das viel zu große Pastorat, für das wir kein einziges Möbelstück hatten. Was übrigblieb war kaum mehr als das, was wir als Studenten gehabt hatten.

Pastorinnen und Pastoren als Verteilmasse
Wir waren immer zu viele. Das Personaldezernat jubelte, als ich in den Journalismus ging. Sie freuten sich schlicht, dass sie mich los wurden. Aber jetzt werden wir wenige. Wir Vielen gehen in gut zehn Jahren in den Ruhestand, und dann ist da auf einmal niemand mehr. Das wissen sie schon lange, aber langsam wird es prekär. Die Synode diskutiert gerade über den knapper werdenden „Personalbestand“ und die „Ressource“ Pfarrpersonal. Wir dürfen dann auch bis 70 arbeiten, überlegt man, und es wiederholt sich die Vermutung, dass eigentlich nur ein toter Pastor ein guter Pastor ist. Um die Fläche in Zukunft versorgen zu können, wird man sich etwas einfallen lassen müssen. Sie sagen es nicht, aber sie denken es: Das sind doch Beamte, wir können sie eigentlich versetzen wie es uns gefällt.

Ich will nicht auf die Hallig!
Einige werden jetzt denken: Das ist Klage auf hohem Niveau. Mag sein. Aber der Pfarrberuf ist in Bedrängnis und in Kritik, und unsere Kirche behandelt uns wie Verteilmasse. Von Wertschätzung für den Pfarrberuf habe ich in den Berichten über die Synode nichts lesen können.
Was kommt, trifft mich persönlich: Ich habe viel Geld und Kraft in meine Qualifikation als Öffentlichkeitsreferentin investiert – natürlich ohne dafür in der Gehaltsstufe aufzusteigen, im Gegenteil. Der Schritt war alternativlos: Es zeichnete sich ab, dass ich keine Pfarrstelle bekommen würde, weil wir als Pastoren-Ehepaar nun einmal nicht an zwei verschiedenen Orten leben können und wollen. Wir hätten uns sicher eine Stelle teilen dürfen, aber das ist bei diesen Ausbildungskosten dann auch nicht mehr realistisch. Eine Zeitlang fand man meine Entscheidung für die Übergemeindlichkeit gut, aber jetzt sollen wir alle zurück in die Gemeinde.
Ich bin inzwischen zu alt, um aus diesem Laden endgültig auszusteigen. Dabei wäre es das einzig Vernünftige: zu gehen, bevor sie mich ins Exil auf irgendeine Pfarrstelle schicken, die sonst niemand will.

Mir fehlt die Loyalität der Kirche
Es gilt, was in jedem Unternehmen inzwischen unstrittig ist: Wenn man gute Leute will, muss man sie anständig behandeln. Und auch wenn unser gemeinsames Herzensanliegen die Sache Jesu ist, braucht der Pfarrberuf eine Kirche, einen Arbeitgeber, der sich loyal hinter ihn stellt. Und da fehlt es elementar auf allen Ebenen: Bewerbungsgespräche werden zur Fleischbeschau, Gemeinden behandeln ihre Pastoren wie Handlanger und muten ihnen Wohnungen zu, in die sie selber nicht einziehen würden, die Residenzpflicht bringt Familien in Not. Aber wenigstens das scheinen sie da oben ja wahrzunehmen: Eine weitere Lockung der Dienstwohnungs- und Residenzpflicht ist angedacht. Darüber will ich jubeln, wenn es denn so weit ist. Dann nämlich kann auch ich vielleicht zurück ins Pfarramt, in den Beruf, der mein Leben und meine Liebe ist.

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